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Wie Yoga durch "weniger" "mehr" wird.



Yoga ist so unterschiedlich und vielfältig, wie die Personen, die es unterrichten und die Menschen, die es praktizieren. Auch in meinem "Yoga-Leben" war Yoga nicht immer gleich Yoga. Anfangs habe ich es eher als Sport verstanden. Den Körper kräftigen und dehnen und dabei möglichst gekonnt aussehen. Klappten Haltungen nicht so, wie ich mir das wünschte, war der Ansporn da, dort irgendwann einmal hinzukommen. Folge war oft, dass sich mich mit anderen verglichen habe, dass ich mich selbst bewertete danach, was "gut" und was "schlecht" klappte, dass ich oft über meine Grenzen gegangen bin und mich tagelang kaum bewegen konnte. Weil das Muster waren, die ich auch aus meinem Leben gut kannte, ist mir das gar nicht negativ aufgefallen. Yoga hat mir Spaß gemacht. Vor allem dann, wenn ich Fortschritte machte, das Gefühl hatte, darin gut auszusehen und mithalten zu können.


Erst sehr viel später lernte ich Yogalehrer kennen, die ganz anders unterrichteten. Uns nicht durch komplexe Flows führten, keine komplizierten Haltungen anleiteten, keine Musik laufen ließen und deren Stunden vor allem reduziert, einfach und langsam waren. Anfangs schrie alles in mir: "Laaaaangweilig!", doch dann fand ich die Schönheit darin. Den Segen, zu lernen, meinen Körper zu spüren. Nicht erst, wenn er schmerzt und die Muskeln brennen, sondern schon vorher. Ich konnte wahrnehmen, wann sich Dehnung oder Anstrengung noch in einem Rahmen bewegen, in dem ich entspannt bleiben kann und wann ich eine Grenze überschritt und ich mich nicht mehr wohlfühlte. Ich lernte, meinen Körper auch dann noch in seiner Gänze wahrzunehmen, wenn ich bestimmte Bereiche beanspruchte. Ich konnte im Kontakt bleiben mit meinem Atem. In der Einfachheit der Flows hatte ich die Freiheit, wirklich auf mein eigenes Tempo zu hören, die Bewegung meines Körpers dem Kommen und Gehen meines Atems anzupassen. Ich konnte mich mit mir selbst verbinden, statt mich am Außen zu orientieren. Ich lernte, meinen Körper und seine Grenzen zu respektieren. MICH zu respektieren. Mich zu lösen davon, etwas erreichen zu müssen.


Ich glaube, dass wir in unserem Alltag häufig davon begleitet sind, Leistung erbringen und funktionieren zu müssen. So dass wir oft viel zu spät merken, dass wir uns zu viel aufgehalst haben. Manchmal müssen wir erst krank werden, schlimme Rückenprobleme bekommen oder ähnliches, bis uns aufgeht, dass etwas nicht rund läuft. Wir erwarten von uns, dass wir immer unser Bestes geben. Und werden tagtäglich von Eindrücken überschwemmt, sind umgeben von einem "Höher-Schneller-Weiter", das in uns ein Gefühl von ständigem Getriebensein hinterlässt. Wie soll man sich da auch noch spüren?


Darin liegt das "Mehr", das das "Weniger" im Yoga für mich ausmacht. Einen Kontrapunkt setzen. Langsam werden, nach innen lauschen, sich selbst mit Zärtlichkeit, Neugierde und Wohlwollen begegnen. Wahrnehmen, wie es sich anfühlt, im Körper zu sein. Wo seine Grenzen sind. Wie viel eigentlich wirklich gut tut. Lernen, welche Kraft in meinem Atem liegt, wie sehr er mir anzeigt, ob ich gerade gut mit mir umgehe oder nicht. Und auch beobachten, mit welchen Mustern und Glaubenssätzen wir so durchs Leben gehen: Viel hilft viel? Was andere können, muss ich auch können? Ich muss mithalten? Ich muss das Maximum aus den 60 Minuten herausholen, die ich hier auf der Matte verbringe? Ich darf mir keine Pause gönnen?


Für mich hat das "Weniger" viel verändert. Im Umgang mit mir selbst, der bedeutend freundlicher geworden ist. Ich bin im Alltag sehr viel mehr mit meinem Körper verbunden und spüre, was mir gut tut und was nicht. Ich bin langsamer geworden, genussvoller und wacher. Komme besser aus dem Tunnel heraus, in dem wir vielleicht alle hin und wieder stecken, wenn das Leben uns wieder vor sich her treibt.


Die schönsten Momente, wenn ich eine Klasse unterrichte, sind die, wenn Teilnehmer*innen Pause machen. Wenn sie ganz andere Haltungen üben, als ich sie gerade ansage. Weil ich dann sehe: Diese Person sorgt für sich. Diese Person spürt, was ihr jetzt gut tut. Und folgt diesem Impuls ohne Rücksicht darauf, dass ihr etwas anderes "vorgegeben" wird. Es ist ihr egal, ob andere "durchhalten" (und damit vermeintlich "besser" sind), sondern ist nur an sich selbst orientiert. Spürt sich. Respektiert sich. Und geht mit sich selbst liebevoll um.


Eigentlich ist es im Kern das, was ich meinen Teilnehmer*innen mitgeben möchte. Kurz aus dem Alltag heraustreten. Einen guten Kontakt zu sich selbst zu entwickeln, sich zu spüren, wahrzunehmen und dem zu folgen, was ihnen gut tut. Eine gute Zeit mit sich selbst zu haben. Das Wunder des eigenen Körpers zu erleben und ihm mehr und mehr mit Respekt und Zärtlichkeit zu begegnen. Zu lernen, entspannt zu sein. Und vor allem: Von all dem möglichst viel wieder zurück mit in den Alltag zu nehmen. Für ein gesünderes, glücklicheres und reicheres Leben.



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